
Dies ist der Abschluss meines Georgien Blogs und ich möchte mich bei allen bedanken, die ihn gelesen und mich mit Kommentaren bedacht haben.
Nun freue ich mich auf ein Wiedersehen!
Dagmar schaut sich um
Das erste Land auf der Reise ist Bulgarien, seit 2007 Mitglied der EU und aufgrund von hoher Korruption immer wieder gerügt. Ich ahne nicht, was uns bevorsteht. Die bulgarischen Grenzer lassen uns erst einmal sämtliches Gepäck aus dem Bus räumen, es wird in Stichproben kontrolliert. Für eine reibungslose Weiterfahrt muss man eben zahlen. Sicherheitsbeamte auf der Strecke verlangen 20 €, die bulgarischen Grenzer bekommen 30, die serbische Grenzpolizei wird bei der Einreise mit je zwei Packchen Kaffee und Zucker und 4 Flaschen Wasser versorgt, doch erst die zweite Flasche Whisky ermöglicht die Weiterfahrt.
Die „Geschenke“ für die Beamten werden vom Buspersonal in den Duty Free Läden eingekauft, ohne diese kleinen Aufmerksamkeiten bleiben Busse auch schon mal unbeachtet mehrere Stunden an der Grenze stehen oder werden eben komplett gefilzt. Dieses Verfahren hat sich seit Sowjetzeiten kaum geändert, einige der Türken im Bus können mir Geschichten vom Transitverkehr der letzten 30 Jahre berichten.
Die Serben bekommen bei der Ausreise noch eine Flasche Whisky und die Kroaten eine Fanta und 3 Päckchen Zigaretten, alle Männer müssen aussteigen, Frauen dürfen sitzen bleiben. Für die Ausreise gibt es noch einmal eine Flasche Whisky.
Slovenien – wir denken nun ist es vorbei. Bakschisch braucht es nicht mehr, aber wie sind auserwählt unser Gepäck aus dem Bus zu räumen – Komplettkontrolle. Alle Koffer auf, ich muss meinen Rucksack entleeren, der Beamte wühlt zwischen Schuhen, Büchern, Unterwäsche und Mitbringseln, fragt mich, ob er sich beim Greifen in meinen Schlafsack schneiden könnte und ich steh am Ende vor einem Haufen Sachen, die alle zurück in diesen Rucksack sollen. Geschenke müssen von Papier befreit werden, es kommt nur Bahklava oder Bettwäsche zum Vorschein, auch ansonsten jede Menge leckerer Dinge: Oliven, Käse, Khakifrüchte…Empfinde Ekel für dieses Verhalten und kann meinen Mund nicht halten, frage wonach er sucht. „Waffen und Drogen“ bekomme ich zur Antwort, „ob es ihm Spaß mache die Sachen der Leute zu durchwühlen?“, „nein, was ich denn denke?“, „es sehe halt so aus!“. Anschließend wird noch der Bus auseinander genommen, ich bekomme Fotoverbot und andere Beamte machen sich schon über ihren Kollegen lustig. Muslime unter Generalverdacht? Einige sagen „ja“, andere „das ist halt Pech, kann jedem passieren“. Fakt ist wir haben länger als 2 Stunden in Kontrolle verbracht und der Bus aus Kroatien passiert uns unkontrolliert.
Aber nun – Slovenien, Österreich, Deutschland. In München angekommen bekomme ich sogar noch meinen Nachtzug nach Berlin und da bin ich nun.
In der Altstadt treffe ich Jafer, einen in Frankfurt geborenen Türken, und erfreue mich an seinem breiten hessischen Dialekt. Irfan, ein Bulgare türkischer Herkunft, lädt mich zu etlichen Tees ein und erklärt mir die Aufstellung von Fenerbahce Istanbul und wir sind uns einig über die Qualitäten von Jogi Löw.
Serdar bekocht mich noch mit frischem Fisch vom Fischmarkt, wir machen Spaziergänge am Bosporus und ich lerne ein paar Wörter mehr türkisch.
Nur gewonnen!
„Germania, Germany, Deutschland…gut, gut!“, „Welcome“, schallt es Deutschen entgegen. Mein Pass eine Eintrittskarte, der Dietrich zu den Toren der Länder dieser Welt, ein 6er im Lotto. Glück! Ich darf reisen, Tourist sein, Voyeur fremder Kulturen, mich bedienen und beschenken lassen. Im Bus von Tbilisi nach Istanbul zeigt mir Beso, mein Sitznachbar, stolz seine Schengen-Visa. Er kauft Autos in Stuttgart und überführt sie dann nach Georgien - Arbeit und Geld…aber halt nicht für jeden. Die Meisten müssen draußen bleiben. Vielleicht bin ich nicht objektiv, vielleicht bin ich emotional, aber ich weiß, dass ich keine Liebeserklärungen und Heiratsanträge erhalten möchte nur weil ich diesen Stempel „Schengen“ auf der Stirn trage.
“Spending on feasting and wine is better than hoarding our substances – that which we give makes us richer, that which we hoard is lost.”
Rustaveli, Georgian poet
Mich hat das Leben in Georgien auf alle Fälle sehr bereichert und ich bin dankbar, dass ich hier sein und arbeiten durfte. Ja, ich werde das Leben und die vielen schönen Menschen hier vermissen, unsere Familie, die Absurditäten des Alltags, das Gefühl ständig etwas Neues zu entdecken, den Einfallsreichtum mit dem Lösungen gefunden werden, das Treiben und sich treiben lassen, die Verbindung von Restaurant und Tanzlokal und das Erlebnis Marktbesuch.
Es geht zurück in ein winterliches Deutschland und auch darauf freue ich mich – ich werde nicht mehr so aus der Masse herausstechen, werde nicht mehr tagtäglich angestarrt werden, werde in meiner Sprache sprechen können und hoffentlich verstanden werden.
Saakaschwili hat den Wahltermin auf den 5. Januar vorverlegt. Nun hat die Opposition gerade einmal zwei Monate Zeit einen geeigneten Gegenkandidaten zu finden.
Die Bilder im Fernsehen sind schockierend. Im Büro wird heute nicht gearbeitet, alle starren gebannt und entsetzt auf den Fernseher. Unsicherheit und Unverständnis.
Der Notstand wird ausgerufen und der unabhängige Fernsehkanal vom Militär gestürmt. Nun wird es für 15 Tage Nachrichten nur im Staatsfernsehen geben. Aber laut Saakaschwili ist Georgien ein demokratisches Land mit Pressfreiheit und der Aufstand von Rußland inzeniert. Das Staatsfernsehen zeigt abgehörte Telefongespräche zwischen Oppositionisten und russischen MPs. Nun bleibt der Fernseher aus.
In Batumi wurden alle Balkone zur Promenade auf Staatskosten mit Markisen versehen. Der Präsident hat eben Geschmack und so wird er zumindest als Micha, der Erbauer der Fontänen, in die Geschichte Georgiens eingehen.
Nur das herbstliche Farbspiel des Waldes ist nicht von ihm beeinflusst und daher wirklich traumhaft!
In Georgien gibt es eine etwas andere Form des Demonstrierens, während wir uns zu Kundgebungen versammeln, steigt hier die Opposition in ihre geliebten Autos und fährt im Autokorso hupend und mit Fahnen geschmückt durchs Land. Dies geschied derzeit mehrfach wöchentlich und für Freitag sind dann doch große Kundgebungen in allen Städten und besonders in Tbilisi geplant. Ziel ist es Sakaschwili zu entmachten. Wir sind gespannt!
Aus ökologischer Sicht musste ich den georgischen Fahrstil gut heißen: Es wird schlichtweg weniger Fläche versiegelt, wenn man auf einer zweispurigen Straße vierspurig fährt. Bei einem solchen Manöver schrammte unsere eine andere Maršrutka, aber was soll`s. Besonders amüsant ist es auch wenn ein überholendes Auto überholt wird oder zusätzlich noch Kühe am Verkehr teilnehmen.
Svanetien – „eine überbewertete Schweiz mit Blutrache“ war Nadjas Kommentar. Ich möchte mir selber einen Eindruck von dieser entlegenen Region im Großen Kaukasus an der Grenze zu Abchasien und Russland verschaffen. In Tbilisi treffe ich mich mit Christin und Felix und wir besteigen den Nachtzug nach Zugdidi. Angekommen – wir sind die letzten im Zug und der Schaffner trägt Felix auch noch sein T-Shirt nach. Mit der Marsrutka geht es entlang steiler Abhänge in Richtung Mestia. Das letzte Stück des Weges ist abschüssig und so lässt sich Benzin sparen indem der Motor ausgeschaltet und der Schwung ausgenutzt wird, den haben wir! Ein „langsam, langsam“ der ausländischen Mitfahrer sorgt beim Fahrer nur für noch mehr Vergnügen.
Abgeholt werden wir von Soja Goshteliani, unserer Wirtin. Die Familie Goshteliani ist stolzer Besitzer eines Turmes. Die Türme prägen das Bild aller Orte im Oberen Svanetien. Da diese so errichtet sind, dass ein Großteil der Masse in den unteren vier Metern des Turmes liegt, sind sie bei Erdbeben und Lawinen besonders stabil und so stehen sie bereits seit dem 12. Jahrhundert. Zudem dienten sie dem Schutz bei Angriffen von außerhalb bzw. von verfeindeten Familien. Mir scheint es jedoch, als sei ganz Mestia eine Familie.
In den nächsten Tagen werden wir gemästet, drei Mahlzeiten täglich oder ein Lunchpaket, welches wir nicht einmal mit Hilfe weiterer Touristen verdrücken können. So bekommen wir einen Eindruck der svanetischen Küche – viel Fett, denn in den Bergen braucht man halt Energie.
Neben dem Essen stehen Wanderungen, ein Ausflug nach Ushguli, der höchstgelegensten Siedlung Georgiens, und der Besuch des ethnographischen Museums von Svanetien auf dem Programm.
Die Landschaft ist beeindruckend – in alle Richtungen schneebedeckte Berge und davor die Farben des Herbstes. Am letzten Abend bekommen wir noch ein Privatkonzert svanetischer Volksmusik und müssen aus Höflichkeit zwei Mahlzeiten verdrücken.
Begeisterung für diesen Fleck Erde und seine Menschen und der Gedanke „ich komme wieder“!